Was macht die Staatsanwaltschaft?
Die Staatsanwaltschaft ist für die „Strafrechtspflege“ zuständig. Das heißt, dass sie das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten leitet und gemeinsam mit der Kriminalpolizei „von Amts wegen“, also von sich aus, oder aufgrund einer Anzeige, ermittelt. Typische Ermittlungshandlungen sind:
- Vernehmung von Zeuginnen bzw. Zeugen und Beschuldigten
- Sicherstellung von Gegenständen
- Auswertung von Spuren
- Einholung von Sachverständigengutachten
Es kann aber auch sein, dass diese Ermittlungsmaßnahmen nicht ausreichen, um die Straftat aufzuklären. Dann braucht es schwerwiegendere Eingriffe in die Privatsphäre, wie z.B. die Hausdurchsuchung oder gar die Festnahme.
Damit es aber überhaupt zu einer Hausdurchsuchung oder Festnahme kommen kann, muss diese erst vom Gericht bewilligt werden. Zuständig ist ein:e Richter:in, die nur im Ermittlungsverfahren tätig ist. Eine solche Richterin bzw. ein solcher Richter entscheidet über die Haft einer:eines Beschuldigten und garantiert allgemein für jede:n Betroffene:n Rechtsschutz. Sie werden daher „Haft- und Rechtsschutz-Richter:innen“ (kurz: HR-Richter:in) genannt. Sie:er prüft, ob alle Voraussetzungen vorliegen, die im Gesetz für die beantragte Maßnahme festgelegt sind.
Eine Ermittlungsmaßnahme muss im Gesetz vorgesehen sein. Die Staatsanwaltschaft kann keine Maßnahme anordnen, die nicht eine Grundlage im Gesetz hat. Die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt prüft zuerst, ob die Ermittlungsmaßnahme wirklich erforderlich und auch verhältnismäßig ist. Bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen, die schwere Eingriffe darstellen, muss sie:er die Genehmigung des:der HR-Richter:in einholen.
Weil in immer mehr Fällen Ermittlungen auch im Ausland erforderlich werden, arbeitet die Staatsanwaltschaft auch mit ihren ausländischen Partnerbehörden zusammen. Innerhalb der EU werden gewisse Anordnungen sogar direkt anerkannt und vollstreckt. Darüber hinaus gibt es internationale Verträge, auf deren Basis die Zusammenarbeit erfolgt.
Der Beruf der Staatsanwältin bzw. des Staatsanwalts dreht sich um die Strafverfolgung. Meistens erfährt die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige vom Verdacht einer Straftat. Die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt liest die Anzeige und falls sie:er einen Anfangsverdacht annimmt, prüft sie:er den Sachverhalt. Die Staatsanwaltschaft hat zu diesem Zweck die Befugnis, von allen Behörden die nötigen Auskünfte einzuholen. Sie kann der Kriminalpolizei Ermittlungen anordnen bzw. auch selbst Ermittlungen durchführen, wie beispielsweise Beschuldigte und Zeuginnen bzw. Zeugen vernehmen.
Wenn die Staatsanwaltschaft Schritte setzen möchte, die in Grund- oder Persönlichkeitsrechte eingreifen, ist eine gerichtliche Bewilligung notwendig. In einem solchen Fall verfasst die Staatsanwaltschaft Anträge an das Gericht und begründet, warum beispielsweise eine Hausdurchsuchung notwendig und verhältnismäßig ist. Erhärtet oder bestätigt sich der Verdacht einer Straftat, bringt die Staatsanwaltschaft einen Strafantrag oder eine Anklageschrift bei Gericht ein.
Es kommt dann zu einer Hauptverhandlung, an der die Staatsanwaltschaft als Anklägerin beteiligt ist.
Die Strafprozessordnung bezeichnet Gutachter:innen als „Sachverständige“. Das ist eine Person, die ein besonderes Fachwissen auf einem bestimmten Gebiet hat. Dadurch kann sie Tatsachen feststellen, die als Beweis dienen. Außerdem kann sie in einem Gutachten Schlüsse aus diesen Tatsachen ziehen und begründen. Ein Praxisbeispiel ist der Verkehrsunfall: Gutachter:innen können aufgrund der Bremsspuren oder Schäden am Auto feststellen, wie sich der Verkehrsunfall vermutlich zugetragen hat. Hat sich die beschuldigte Person wirklich an die Geschwindigkeitsbeschränkung gehalten? Oder ist sie statt 50 km/h wohl doch eher mit 80 km/h unterwegs gewesen? Sachverständige bestellt man also, wenn es für die Ermittlungen besonderes Fachwissen braucht. Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälte sind schließlich juristisch ausgebildet und können daher keine Expertinnen bzw. Experten in jedem anderen erdenklichen Gebiet sein (Elektrikermeister:innen, Karosserie- oder Fahrzeugtechniker:innen).
Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist. Bei jedem Anfangsverdacht müssen die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei ermitteln. Wenn aber die Angaben in einer Anzeige beispielsweise keinen Sinn ergeben, wenn es sich z.B. um gängige Verschwörungsmythen handelt, dann wird davon abgesehen, überhaupt Ermittlungen einzuleiten. Es gibt sodann keinen Anfangsverdacht, dass tatsächlich eine Straftat begangen wurde.
Verdächtigt ist eine Person, gegen die ein Anfangsverdacht vorliegt. Also z.B. jede Person, gegen die bei der Polizei eine Anzeige erstattet wurde und angenommen werden kann, dass eine Straftat tatsächlich begangen wurde. Ob die Straftat tatsächlich von der angezeigten Person begangen wurde, steht noch nicht fest. Erst wenn die Person konkret verdächtigt wird, wird sie zur beschuldigten Person. Das ist der Fall, wenn aufgrund erster Ermittlungen der Verdacht naheliegt, dass diese Person die angezeigte Straftat konkret begangen haben könnte. Beispielsweise, wenn eine Zeugin bzw. ein Zeuge aussagt, dass die verdächtigte Person die anzeigende Person tatsächlich am Körper verletzt hat.
Die:der Beschuldigte wird mit der Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft zur:zum Angeklagten. Die Hauptverhandlung wird von einem:einer Richter:in geleitet. Die Staatsanwaltschaft vertritt den Staat und trägt im Plädoyer die Anklage vor. Sofern eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt als Verteidiger:in für die:den Angeklagte:n tätig wird, bringt sie:er im Plädoyer ihren:seinen Standpunkt ein. Das Gericht räumt der:dem Angeklagten danach das Recht ein, sich zum Vorwurf der Staatsanwaltschaft zu äußern. Der:Die Richter:in befragt zuerst die:den Angeklagte:n zum Vorwurf. Danach können alle Beteiligten im Verfahren (Staatsanwaltschaft, Privatbeteiligtenvertreter:in, Verteidiger:in) Fragen an die:den Angeklagten stellen. Nach der:dem Angeklagten werden im Beweisverfahren Zeuginnen bzw. Zeugen über ihre eigenen Wahrnehmungen zur Tat vernommen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben die Gelegenheit, Fragen zu stellen und weitere Zeuginnen bzw. Zeugen zu beantragen.
Am Ende der Verhandlung halten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung ein Schlussplädoyer und die:der Angeklagte hat das letzte Wort. Dann wird das Urteil gefällt. Nach dem Urteil können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung entscheiden, ob sie das Urteil annehmen oder bekämpfen wollen.
Häufig kommen in einer Hauptverhandlung neue Aspekte hervor, Zeuginnen bzw. Zeugen relativieren ihre Aussage oder es kommen neue Beweise hervor, die im Ermittlungsverfahren noch nicht bekannt waren. Es ist also möglich, dass die Beweislage am Ende der Hauptverhandlung anders aussieht, als sie bei Anklageerhebung ausgesehen hat. Kann die angeklagte Person aufgrund der Beweismittel nicht überführt werden oder spricht ein rechtlicher Grund gegen eine Verurteilung (z.B. Verjährung, Notwehr, Zurechnungsunfähigkeit), fällt das Gericht einen Freispruch. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ bedeutet, dass im Zweifel für die:den Angeklagte:n entschieden wird. Es kommt daher durchaus vor, dass die Staatsanwaltschaft einen Freispruch akzeptiert und nicht bekämpft.
Zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung gehören zum Beispiel das mündliche Vortragen des Vorwurfes (Plädoyer), das Befragen der:des Angeklagten und von Zeuginnen bzw. Zeugen sowie das Stellen von Beweisanträgen. Die Staatsanwaltschaft beurteilt für sich objektiv die Verfahrensergebnisse. Decken sich ihre Wahrnehmungen nicht mit jener des Gerichts, steht es ihr frei, ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts zu erheben. Die Staatsanwaltschaft kann ein Rechtsmittel aber auch zugunsten der:des Angeklagten erheben, wenn sie der Meinung ist, dass dem Gericht ein Fehler unterlaufen ist. Die Staatsanwaltschaft nimmt ihre Aufgabe objektiv wahr.
Gegen das gesetzwidrige Einschreiten von Behörden kann man sich grundsätzlich wehren. Das zeichnet den Rechtsstaat aus. Eine verdächtigte Person hat dieselben Rechte wie ein:e Beschuldigte:r; im Ermittlungsverfahren können aber auch weitere Personen betroffen und in ihren subjektiven Rechten verletzt sein. Sie alle können dagegen einen sogenannten „Einspruch wegen Rechtsverletzung“ erheben. Dieser ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und kann dem Einspruch nachkommen und gegebenenfalls den rechtmäßigen Zustand herstellen. Tut sie das nicht, legt sie den Einspruch dem Gericht vor. Falls der:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in entscheidet, dass der Vorgang oder die Ermittlungsmaßnahme dem Gesetz nicht entspricht, dann stellt sie:er die Rechtsverletzung fest und trägt der Staatsanwaltschaft gegebenenfalls auf, den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Gegen diese Entscheidung können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Person, die die Rechtsverletzung behauptet, eine Beschwerde beim jeweiligen Oberlandesgericht erheben.
Außerdem gibt es im Ermittlungsverfahren bestimmte Ermittlungsmaßnahmen, die von einem:einer Richter:in bewilligt werden müssen: Plant die Staatsanwaltschaft beispielsweise eine Hausdurchsuchung, muss die Ermittlungsmaßnahme von einem:einer Haft- und Rechtsschutzrichter:in geprüft werden. Der:Die Richter:in entscheidet mit einem Beschluss, ob die Hausdurchsuchung „bewilligt“ oder „abgewiesen“ wird. Gegen diesen Beschluss können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die:der Beschuldigte eine Beschwerde beim jeweiligen Oberlandesgericht erheben.