FORUM JUSTIZ „Herabsetzung der Strafmündigkeit“
Am 27. Februar lud der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr. Wigbert Zimmermann zur Podiumsdiskussion FORUM JUSTIZ zum Thema „Herabsetzung der Strafmündigkeit“ ein.
Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz ausgebucht – rund 100 Zuschauer:innen kamen in den Schwurgerichtssaal. Auch das mediale Interesse war groß. Nach einer Einführung zum Thema durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Wigbert Zimmermann eröffnete Mag.a Andrea Steffan, Richterin für Jugendstrafsachen und Strafsachen junger Erwachsener des Landesgerichts Innsbruck, die Diskussion.
Der Präsident des Oberlandesberichts Dr. Wigbert Zimmermann eröffnet das FORUM JUSTIZ.
Es braucht Maßnahmen
Die Jugendkriminalität sinkt in Österreich seit Jahren, dennoch gibt es Handlungsbedarf.
Der gemeinsame Tenor unter den Experti:innen: Es braucht mehr Schutzmaßnahmen. „Kinder und Jugendliche haben im Gefängnis nichts zu suchen“, meint dazu Erster Staatsanwalt Mag. Hansjörg Mayr. Es wären aber Betreuungseinrichtungen notwendig. Das Schweizer Modell sieht genau das vor: Bereits 12-Jährige können dort für drei Monate in eine geschlossene Beobachtungsinstitution gebracht werden, was oftmals Stabilisierung bringt. „Sie haben dort alles, was sie brauchen, können zur Schule gehen und eine Ausbildung machen. Ja, es ist Freiheitsentzug. Aber unser Modell erfüllt den Zweck des Schutzes und der Erziehung“, erläutert der leitende Jugendanwalt der Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt lic. iur. Patrik Killer.
Eine andere Position vertrat der Strafverteidiger Mag. Martin Engelbrecht – er ist für eine Herabsetzung: „Wenn eine Gruppe Jugendlicher jemanden mit einem Messer bedroht und von fünf Tätern zwei 16 Jahre alt sind und der Rest 13, dann werden nur die 16-Jährigen bestraft und das aufs Schärfste. Auch wenn sie vielleicht gar nicht das Messer in der Hand hatten.“
Oft zu Straftaten führen laut Dr.in Kristin Henning, Leiterin des Vereins Neustart, Social Media und das Internet. Dadurch wären die Jugendlichen vermehrt einer Realität ausgesetzt, die auch von Gewalt geprägt ist. „Es fehlt die Sensibilität und das Bewusstsein für Hass im Netz“, weiß Henning. Diese Erfahrung teilt auch Mag. Engelbrecht: „Der digitale Bereich wird von Eltern in Besprechungen mit jugendlichen Beschuldigten oft relativiert.“
V. l.: Primaria Univ. Prof.in Dr.in med. Kathrin Sevecke, Erster Staatsanwalt Mag. Hansjörg Mayr, lic. iur. Patrik Killer, RidLG Mag.a Andrea Steffan, Präsident des Oberlandesgerichts Dr. Wigbert Zimmermann, Dr.in Kristin Henning, Mag. Martin Engelbrecht
„Welche Antwort wollen wir als Gesellschaft geben?“
Uneinigkeit herrschte bei der Frage, ob Kinder und Jugendliche heute früher reif sind als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das verneinte Primaria Univ. Prof.in Dr.in med. Kathrin Sevecke: „Manche gehen sogar mit ihren Eltern zum Inskribieren.“ Zusätzlich verschlechtere sich die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
„Die Umstände haben sich im Vergleich zu früher verändert, aber die Frage ist: Was tun? Welche Antwort wollen wir als Gesellschaft geben? Die Herabsetzung kann es nicht sein“, ist sich Dr.in Henning sicher. „Je früher Maßnahmen gesetzt werden, desto weniger invasiv müssen sie sein. Neue Maßnahmen, wie es sie etwa in der Schweiz gibt, müssten gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden.“ Auch steht die Frage im Raum, wie das alles finanziert werden soll.
Wir danken allen Vortragenden und Teilnehmer:innen für die gelungene Veranstaltung!
Das mediale
Interesse an der Veranstaltung war groß.