Zur Hauptnavigation [1] Zum Inhalt [2] Zum Untermenü [3]

Amtshaftung wegen „unvertretbarer Rechtsansicht“

Auf Grund des Artikels in der Ausgabe der Tiroler Tageszeitung vom 22.9.2014 mit der Überschrift „Amtshaftung für Urteile: Republik haftete für Bürger“ könnte der Eindruck entstehen, dass unliebsame Gerichtsentscheidungen im Wege der Amtshaftung ohne Weiteres ausgehebelt werden können. Dem ist nicht so: die bloße Unrichtigkeit einer Entscheidung löst noch keine Schadenersatzpflicht der Republik Österreich aus. Vielmehr ist ein Verschulden des Entscheidungsorgans erforderlich.
Die Republik Österreich haftet nur dann für ein „Fehlurteil“, wenn das Entscheidungsorgan eine unvertretbare Rechtsansicht eingenommen hat. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung von einer klaren Rechtslage oder einer ständigen Rechtsprechung abweicht, ohne das Abweichen sorgfältig zu begründen. Außerdem muss für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Amtshaftungspruchs der Rechtsmittelweg ausgeschöpft sein.
Jährlich werden rund 450 Amtshaftungsansprüche wegen behaupteter Fehler von Justizorganen im sogenannten Aufforderungsverfahren an das Justizministerium bzw. direkt an die Finanzprokuratur (als Anwalt und Berater der Republik Österreich) herangetragen. Davon umfasst sind nicht nur die richterlichen Entscheidungsorgane, sondern der gesamte gerichtliche Kanzleidienst, aber auch die Staatsanwaltschaften, der Strafvollzug und die von den Gerichten bzw. Staatsanwaltschaften veranlassten Zustellungen durch die Post. Nur in rund 25 % der Fälle wird bereits im Aufforderungsverfahren der Anspruch anerkannt. Ansonsten wird in einem gerichtlichen Verfahren geklärt, ob beispielsweise einem Gericht der Vorwurf einer unvertretbaren Rechtsansicht gemacht werden kann. Dabei wird nicht jede Rechtsansicht oder Beweiswürdigung, die von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde, schon als rechtswidrig und schuldhaft angesehen. Ziel ist es, die Rechtsanwendung lebendig zu erhalten. Der Rechtsauslegung sollen - auch im Sinne einer Fortentwicklung - nicht allzu strenge Fesseln angelegt werden.

Innsbruck, am 29. September 2014

Der Leiter der Medienstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck:
Dr. Wigbert Zimmermann
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Innsbruck