Wie sieht die Organisation der Gerichte aus?
In Österreich wird zwischen sogenannten ordentlichen Gerichten und der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterschieden. Ordentliche Gerichte entscheiden über zivilrechtliche Ansprüche und strafrechtliche Anklagen (mit Ausnahme der Verwaltungsstrafsachen). Zu den ordentlichen Gerichten zählen
- 113 Bezirksgerichte
- 20 Landesgerichte
- 4 Oberlandesgerichte sowie der
- Oberste Gerichtshof
Ein Gerichtsverzeichnis finden Sie unter: Gerichtssuche (justiz.gv.at)
Zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören neun Verwaltungsgerichte in den Bundesländern (Landesverwaltungsgerichte) sowie zwei Verwaltungsgerichte auf Bundesebene (das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht). Als höchste bzw. oberste Entscheidungsinstanz in Verwaltungsangelegenheiten fungiert der Verwaltungsgerichtshof.
Insbesondere zur Entscheidung verfassungsrechtlicher Fragen ist der Verfassungsgerichtshof eingerichtet.
Darüber hinaus gibt es auch Schiedsgerichte. Diese sind keine staatlichen Organe, sondern private Rechtsprechungseinrichtungen. Sie beruhen auf einer privatrechtlichen Vereinbarung und werden von den Beteiligten freiwillig als Entscheidungsorgan ausgewählt.
Ein Bezirksgericht ist für einen sogenannten Sprengel zuständig, der mehrere Gemeinden umfasst. In Wien ist ein Bezirksgericht für einen oder mehrere Wiener Gemeindebezirke zuständig. Ähnlich ist das in Graz und Linz.
Die Bezirksgerichte entscheiden in erster Instanz Zivilsachen bis zu einem Streitwert (das ist der Betrag, der eingeklagt wird) von 15.000 Euro. Zudem sind sie für alle familien- und mietrechtlichen Streitigkeiten und für Exekutionen (z.B. Eintreibung von Schulden oder Räumung einer Wohnung) zuständig.
Auch die Außerstreitverfahren werden im Regelfall vor den Bezirksgerichten verhandelt. Es gilt der Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen Gehörs der Parteien. Die Verhandlungen sind in der Regel nicht öffentlich. In Außerstreitverfahren wird - wie im Zivilprozess - über privatrechtliche Ansprüche entschieden. Beispiele für Außerstreitverfahren sind: Verlassenschaftsverfahren, einvernehmliche Scheidungen, Vermögensaufteilungen oder auch Kindesunterhalts- und Obsorgeverfahren.
Für einen konkreten Fall zuständig ist meist jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel die:der Beklagte bzw. Verpflichtete den Wohnsitz hat.
In Strafsachen entscheiden die Bezirksgerichte über alle Vergehen, für die nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, die ein Jahr nicht übersteigt (z.B. Diebstahl, fahrlässige Körperverletzung). Dabei ist jenes Bezirksgericht für das Strafverfahren zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.
Darüber hinaus wird beim Bezirksgericht das Grundbuch geführt, in dem alle Grundstücke mit ihren Eigentümer:innen registriert sind.
Derzeit sind österreichweit ca. 750 Richter:innen bei den Bezirksgerichten tätig. Die Richter:innen der Bezirksgerichte entscheiden immer als Einzelpersonen, nicht als Senat.
Grundbuch (justizonline.gv.at)
Grundbuchabfrage (justizonline.gv.at)
Die Landesgerichte werden auch Gerichtshöfe erster Instanz genannt. Sie sind in erster Instanz für alle Rechtssachen zuständig, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bezirksgerichte fallen. Außerdem entscheiden sie über Rechtsmittel, die gegen Entscheidungen der Bezirksgerichte erhoben wurden. Das sind dann sogenannte Entscheidungen in zweiter Instanz.
Die Richter:innen sind in der Regel auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert. Derzeit sind bei den Landesgerichten rund 750 Richter:innen tätig. Sie entscheiden in den meisten Fällen als Einzelpersonen.
In bestimmten Fällen entscheidet ein Richter:innensenat. Das ist in allen Rechtsmittelsachen der Fall (drei Richter:innen), aber z.B. auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen (ein Berufs- und zwei Laienrichter:innen) oder in seltenen Fällen in Zivilverfahren und zum Teil in Strafverfahren (Schöffen:Schöffinnen- und Geschworenengericht bei schwereren Delikten). Mit Hilfe von Rechtsmitteln können Parteien gegen Entscheidungen der Gerichte vorgehen.
Die Landesgerichte führen zudem das Firmenbuch, in dem insbesondere Kapital- und Personengesellschaften als juristische Personen registriert sind.
Firmenbuch (justizonline.gv.at)
Firmenbuchabfrage - Suche (justizonline.gv.at)
Die vier Oberlandesgerichte befinden sich in
- Wien (für Wien, Niederösterreich und Burgenland),
- Graz (für Steiermark und Kärnten),
- Linz (für Oberösterreich und Salzburg) sowie
- Innsbruck (für Tirol und Vorarlberg).
Die Oberlandesgerichte – die sogenannten Gerichtshöfe zweiter Instanz – entscheiden in Zivil- und Strafsachen als Rechtsmittelgerichte.
Bei den Oberlandesgerichten sind rund 180 Richter:innen tätig.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) ist (neben dem Verfassungs- und dem Verwaltungsgerichtshof) eines der drei Höchstgerichte in Österreich. Am OGH sind 60 Richter:innen tätig.
Der OGH entscheidet in Zivil- und Strafsachen als letzte Instanz.
Gegen eine Entscheidung des OGH ist kein Rechtsmittel mehr zulässig Die Befassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist nur möglich, wenn ein Verstoß gegen ein Menschenrecht vorliegt. In diesem Fall stellt der EGMR die Rechtsverletzung durch die Republik Österreich nur fest und kann Schadenersatz zuerkennen. Er hebt die Entscheidung aber nicht auf.
Der OGH hat im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit für die Rechtseinheit und die Rechtssicherheit zu sorgen. Die unteren Instanzen orientieren sich bei der Auslegung der Gesetze an den Entscheidungen des OGH zu ähnlichen Fällen.
Nicht alle Rechtssachen können an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Voraussetzung für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist in Zivilrechtssachen in der Regel das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Das ist eine Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Gegen Urteile von Schöffen:Schöffinnen- und Geschworenengerichten kann bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben werden. Diese Möglichkeit steht sowohl der:dem Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft offen.
Nähere Informationen: www.ogh.gv.at
Die Verwaltungsgerichte entscheiden im Allgemeinen über
- Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde (Bescheidbeschwerde),
- Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht einer Verwaltungsbehörde; das bedeutet, dass die Verwaltungsbehörde einen Bescheid nicht in der gesetzlichen Frist von in der Regel 6 Monaten erlassen hat (Säumnisbeschwerde),
- Beschwerden gegen die rechtswidrige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; z.B. wenn eine Person von der Polizei festgenommen wird (Maßnahmenbeschwerde) sowie
- Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (Verhaltensbeschwerde)
Das einzige im Justizressort angesiedelte Verwaltungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht. Dieses ist als Rechtsmittel- bzw. Beschwerdeinstanz, beispielsweise in Angelegenheiten des Asyl- und Fremdenrechts, des Denkmalschutzes, des Datenschutzes, des Beamtendienstrechts, der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes etc. tätig. Darüber hinaus ist es für die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zuständig.
Die Landesverwaltungsgerichte sind für Rechtssachen zuständig, die von den Ländern vollzogen werden oder der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen sind.
Das Bundesfinanzgericht entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide eines Finanzamtes in Steuer-, Beihilfen- oder Finanzstrafsachen oder eines Zollamtes in Zoll- oder Finanzstrafsachen.
Die Richter:innen der Verwaltungsgerichte entscheiden grundsätzlich als Einzelrichter:innen, ausnahmsweise ist eine Senatszuständigkeit vorgesehen. Das kann entweder ein Berufsrichter:innensenat (drei oder fünf Personen) oder ein Senat unter Beteiligung von fachkundigen Laienrichter:innen sein.
Bundesverwaltungsgericht (bvwg.gv.at)