Welche besonderen Herausforderungen gibt es?
Bestimmte Ermittlungsverfahren werden über mehrere Jahre geführt. Es gibt Gründe, warum die Ermittlungen in manchen Bereichen besonders lange Zeit in Anspruch nehmen.
Internationale Strafsachen sind solche, die einen Auslandsbezug aufweisen. Das kann ein Zeuge sein, der im Ausland wohnt, ein Bankkonto im Ausland (z.B. in einer „Steueroase“) oder eine kriminelle Organisation („Mafia“), die in mehreren Ländern operiert (z.B. Menschenhandel). In solchen Fällen muss die Staatsanwaltschaft einen anderen Staat um Rechtshilfe ersuchen. Das bedeutet, dass einzelne Ermittlungshandlungen von diesem anderen Staat durchgeführt werden sollen. Bisweilen sind die rechtlichen Grundlagen in dem anderen Staat verschieden von jenen in Österreich, sodass es vorkommen kann, dass der ersuchte Staat die Unterstützung überhaupt ablehnt. Da unterschiedliche Länder unterschiedlich gut ausgestattete Justizbehörden haben, kann es sein, dass manche schneller und manche weniger schnell reagieren. Durch solche Probleme kann sich ein Ermittlungsverfahren auch in die Länge ziehen. Denn auf die Mitwirkung der ausländischen Behörden ist die Staatsanwaltschaft angewiesen. Schließlich gibt es ohne handfeste Beweise keine Aufklärung.
Wirtschaftsstrafsachen sind meistens besonders umfangreich. Sie sind oft international verflochten und weisen Auslandsbezug auf. Man denke z.B. an die Bankkonten der Täter:innen und sogenannte „Schachtelfirmen“ im EU-Ausland. Zumeist gibt es dann auch noch eine große Anzahl an Tatverdächtigten, die arbeitsteilig vorgehen und dabei allenfalls auch moderne Technologien nutzen.
Wenn in den Nachrichten über „die Justiz“ berichtet wird, dann wird meistens ein Berg von Aktenstapeln gezeigt. Doch seit April 2018 sieht die Realität schrittweise anders aus. Mittlerweile führen die meisten Gerichte viele ihrer Akten digital. Sie arbeiten also weitgehend papierlos. Das sind in Summe tausende digital geführte Akten. Das reicht bis in den Gerichtssaal, wo anstelle von Aktentürmen mittlerweile Bildschirme den Tisch der Justizmitarbeiter:innen schmücken.
Der Arbeitsaufwand bleibt aber der gleiche: Umfangreiche Akten bedeuten sehr viel (digitalen oder analogen) Lesestoff für die Ankläger:innen.
Das Ermittlungsverfahren ist – im Gegensatz zum Hauptverfahren – nicht öffentlich. Für die Ermittlungen ist es hinderlich, wenn Beweisergebnisse, der aktuelle Ermittlungsstand etc. allgemein bekannt werden. Die Staatsanwaltschaft hat daher kein Interesse an Leaks. Auch Beschuldigte haben oft ein Interesse daran, dass die Vorwürfe, die gegen sie im Raum stehen, aber (noch) nicht bewiesen sind, nicht öffentlich werden.
Grundsätzlich gilt: Die:Der Beschuldigte und deren Vertreter:innen sind berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nichtöffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nichtöffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in einer öffentlichen Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, zu veröffentlichen, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.
Wenn jemand durch die Veröffentlichung einen Schaden erlitten hat, dann kann die betroffene Person nach dem Mediengesetz oder nach allgemeinem Zivilrecht vorgehen und Schadenersatz von der Person verlangen.
Außerdem können Leaks strafrechtlich relevant sein, wenn die Information durch Beamtinnen bzw. Beamte nach außen gedrungen ist, die dadurch das Amtsgeheimnis verletzt haben (§ 310 Strafgesetzbuch). Dies wären Richter:innen, Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälte sowie Kanzleikräfte.
Für Personen, die keine Beamtinnen bzw. Beamte sind, gibt es allerdings keine strafrechtlichen Konsequenzen. Das wären die Verfahrensbeteiligten, also die Beschuldigten, Verteidiger:innen und Opfer. In einem großen Verfahren kann dies eine große Anzahl an Personen sein.
Für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit soll die Digitalisierung des Strafrechtsakts sorgen. Diese ist in Arbeit und soll möglichst rasch umgesetzt sein. Dann kann genau nachverfolgt werden, wer wann auf welche Aktenstücke Zugriff hat.
Im Gegensatz zu Richter:innen ist die Staatsanwaltschaft nicht komplett unabhängig bei ihrer Arbeit. Das heißt, dass sie bestimmte „Vorhaben“ an ihre Vorgesetzten zu berichten hat. Das ist zunächst die zuständige Oberstaatsanwaltschaft (OStA). Es gibt vier „OStA“: Wien, Linz, Graz und Innsbruck. Die nächste Ebene ist das Bundesministerium für Justiz (BMJ).
Das BMJ und die Oberstaatsanwaltschaften haben im Rahmen ihrer Fachaufsicht die Befugnis, den Staatsanwaltschaften im Einzelfall Berichtsaufträge zu erteilen. Abgesehen davon besteht in vorhabensberichtspflichtigen Strafsachen für die Staatsanwaltschaften eine Pflicht zur Berichterstattung aus Eigenem – also ohne einen Berichtsauftrag der Vorgesetzten abzuwarten. Ein solches Vorhaben muss dann genehmigt werden, bevor es durchgeführt werden kann. Wenn ein Vorhaben nicht genehmigt werden kann, so hat die vorgesetzte Stelle mit einer Weisung festzulegen, wie die Staatsanwaltschaft konkret vorgehen soll.
Wenn von der Bundesministerin für Justiz eine Weisung erteilt werden soll oder bei Strafsachen gegen oberste Organe der Vollziehung, ist grundsätzlich der Weisungsrat zu befassen.
In Fällen von außergewöhnlichem Interesse der Öffentlichkeit, erfolgt die Befassung des Weisungsrats, wenn es die Frau Bundesministerin für erforderlich hält.
Weisungen der Bundesministerin für Justiz sind jährlich an das Parlament zu berichten.
Weisungen sind zu begründen; sie sind rechtlich nicht bindend.
Berichte und Weisungen dienen zum einen der Kontrolle, dass der Staatsanwaltschaft keine Fehler passieren, und zum anderen dem österreichweit einheitlichen Vorgehen innerhalb der Staatsanwaltschaften.
Berichtspflichten wirken sich naturgemäß auf die Verfahrensdauer aus. Mit dem Berichtspflichtenerlass vom 12. Juni 2021 wurden diese Berichtsaufträge jedoch auf ein unbedingt notwendiges Ausmaß beschränkt, um den Staatsanwaltschaften ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen bzw. dieses zu fördern.