Mögliche Ermittlungshandlungen
Bei jeder Ermittlungshandlung müssen
jedenfalls die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- Prinzip der Gesetzmäßigkeit: Nur, wenn eine Ermittlungshandlung im Gesetz vorgesehen ist, darf sie vorgenommen werden.
- Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Nur, wenn eine Ermittlungshandlung wirklich erforderlich ist, darf diese beantragt werden.
Kein „gelinderes“ Mittel möglich: Das bedeutet, dass keine „weniger eingriffsintensiven Maßnahmen“ zur Verfügung stehen, um das gleiche Ziel zu erreichen. Wenn zum Beispiel eine einfache Beschuldigtenvernehmung für die Untersuchung ausreichen würde, ist eine Hausdurchsuchung nicht notwendig.
Alle, die schon einmal einen Krimi gesehen haben, wissen ungefähr, wie man sich eine Vernehmung vorstellen kann. Es gibt die Unterscheidung zwischen einer bloßen Erkundigung und einer Vernehmung. Eine Erkundigung ist formlos. Dabei werden Personen, die mit der Straftat auch nur irgendwie in Verbindung stehen und unter Umständen wertvolle Informationen liefern können, befragt. Eine Vernehmung setzt hingegen voraus, dass der vernommenen Person zunächst einmal erklärt wird, welche Stellung sie im Verfahren überhaupt hat. Ist sie Beschuldigte:r? Zeugin bzw. Zeuge? Dann kommt es zur Belehrung über die Rechte der Person. Eine falsche Zeugenaussage ist gerichtlich strafbar. Beschuldigte bzw. Angeklagte selbst müssen nicht die Wahrheit sagen, denn es gilt das Grundrecht des „fair trial“. Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert, dass man sich als Beschuldigte:r bzw. Angeklagte:r in einem Strafverfahren nicht „selbst bezichtigen“, also verraten oder belasten, muss. Dazu gehört es auch, dass sie eine „Aussagefreiheit“ haben: Danach steht es ihr:ihm jederzeit frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Das Gesetz stellt ein Schweigerecht der:des Beschuldigten bzw. der:des Angeklagten sicher.
Sicherstellung bedeutet, dass die Polizei die vorübergehende Verfügungsmacht über sichergestellte Gegenstände (z.B. Handys) bzw. Vermögenswerte (z.B. Bankkonten) hat. Sichergestellt werden Gegenstände dann, wenn sie beispielsweise als Beweis dienen (z.B. Einbruchswerkzeuge), Gegenstände, die nicht der:dem Täter gehören (z.B. Diebstahlsbeute) oder Gegenstände, die dem:der Täter:in gehören, wenn man Ansprüche von Geschädigten, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anschließen, daraus befriedigen kann. Bei einer Sicherstellung werden die Gegenstände ausgewertet (z.B. Handy auf Nachrichten geprüft bzw. Kontoauszüge analysiert). Die Sicherstellung wird von der Staatsanwaltschaft angeordnet und von der Polizei durchgeführt. Ob diese Gegenstände dann tatsächlich beschlagnahmt werden, entscheidet das Gericht. Das bedeutet, dass sie so lange nicht mehr zur:zum Eigentümer:in zurückkehren, solange diese Dinge als Beweise in Frage kommen.
Die Beschlagnahme ist eine „fortgesetzte Sicherstellung“. Eine Beschlagnahme ist unter anderem dann zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich sein werden.
Die Staatsanwaltschaft ordnet im Ermittlungsverfahren eine Hausdurchsuchung an, wenn sie aufgrund bestimmter Tatsachen annimmt, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder sich an dem Ort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind. Ob die Hausdurchsuchung zulässig ist, muss im Ermittlungsverfahren ein:e Haft- und Rechtsschutzrichter:in prüfen. Daher muss die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung begründen und die Anordnung dem:der Haft- und Rechtsschutzrichter:in übermitteln.
Der:Die Richter:in entscheidet sodann mit einem Beschluss, ob die Hausdurchsuchung „bewilligt“ oder „abgewiesen“ wird. Gegen diesen Beschluss können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die:der Beschuldigte eine Beschwerde beim jeweiligen Oberlandesgericht erheben.
Es gibt aber auch Fälle, in denen die Kriminalpolizei gleich einschreiten muss, sodass weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht davor informiert werden können („Gefahr in Verzug“).
Beispiel:
Ein:e Drogendealer:in
bemerkt, dass er:sie von der Kriminalpolizei observiert wird und läuft zu einer
Wohnung. Die Kriminalpolizei befürchtet, dass der:die Dealer:in dort sämtliche
Drogen vernichtet, indem er:sie diese beispielsweise im WC hinunterspült. Da
die Situation unübersichtlich ist, muss die Kriminalpolizei sofort
einschreiten, um die Drogenmenge festzustellen und die Drogen sicherzustellen.
Solche Fälle sollen die Ausnahme darstellen: Die Kriminalpolizei muss der Staatsanwaltschaft berichten und begründen, warum sie sofort einschreiten musste, ohne die Staatsanwaltschaft vorher zu kontaktieren. Die Staatsanwaltschaft muss dann nachträglich den:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in befassen, die Genehmigung der Hausdurchsuchung nachholen und die Gründe für das sofortige Einschreiten der Kriminalpolizei darlegen. Der:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in prüft dann, ob die Hausdurchsuchung bewilligt worden wäre und ob wirklich ein so dringlicher Fall vorgelegen ist, dass das Gericht vorher nicht befasst werden konnte. Wird die Bewilligung nicht erteilt, so haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Gegen den Beschluss der Haft- und Rechtsschutzrichter:in können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die:der Beschuldigte eine Beschwerde beim jeweiligen Oberlandesgericht erheben.
Eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte wird von der Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung angeordnet. Die:Der Haft- und Rechtsschutzrichter:in prüft im Ermittlungsverfahren, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Auskunft erfüllt sind. Falls ja, werden Banken dazu verpflichtet, alle Unterlagen über die Identität des:der bestimmten Kontoinhaber:in herauszugeben und/oder Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen der Bank über Art und Umfang der Geschäftsverbindungen eines bestimmten vergangenen Zeitraums zu geben. Dieselben Informationen können auch für einen zukünftigen Zeitraum verlangt werden.
Diese Anordnung ist dann zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit eines Landesgerichts fällt, erforderlich erscheint.
Die Voraussetzungen für die Überwachung von Nachrichten sind streng und detailliert geregelt, weil sie stark in die Grundrechte eingreifen. So kann die Überwachung angeordnet werden, wenn es sich um eine Straftat handelt, die „vorsätzlich“ begangen wurde und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Weiters beispielsweise dann, wenn dringend tatverdächtigte Beschuldigte flüchtig sind und versucht wird, herauszufinden, wo sie sich aufhalten.
Bei jeder Form der Überwachung im Wege der Telekommunikation beantragt die Staatsanwaltschaft bei Gericht die Bewilligung der Anordnung auf „Überwachung von Nachrichten“. Der:Die Haft- und Rechtsschutzrichter:in prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Gegen den Beschluss, mit dem die Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt wurde, können die:der Beschuldigter oder jede von der Überwachung betroffene Person das Rechtsmittel der Beschwerde erheben.
Eine molekulargenetische Untersuchung ist die Ermittlung jener Bereiche in der DNA einer Person, die der Wiedererkennung dienen. Die molekulargenetische Untersuchung biologischer Tatortspuren kann die Kriminalpolizei von sich aus veranlassen. Biologische Tatortspuren sind solche, die am mutmaßlichen Tatort aufgefunden und gesichert wurden (z.B. Blutspuren am mutmaßlichen Tatort oder am Opfer, das am Tatort aufgefunden wurde).
Wenn es sich nicht bloß um eine biologische Tatortspur handelt, muss die Staatsanwaltschaft einen Antrag bei Gericht für eine molekulargenetische Untersuchung stellen. Darüber entscheidet im Ermittlungsverfahren der:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in. Das ist dann der Fall, wenn ein Material untersucht werden soll, das einer bestimmten Person zugehört oder zugehören dürfte (z.B. Untersuchung von Haaren, die aus einer Bürste stammen, die von einer bestimmten Person benützt wird = Vergleichsmaterial) oder von biologischen Spuren, die an sich keine Tatortspuren sind, aber allgemein einen Bezug zur Tat haben könnten (z.B. außerhalb des mutmaßlichen Tatorts aufgefundene DNA-Spuren auf Beutestücken).
Unter „körperlicher Untersuchung“ versteht man die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeden anderen Eingriff in die körperliche Integrität von Personen.
Sie ist beispielsweise zulässig, wenn anzunehmen ist, dass eine Person Spuren hinterlassen hat, deren Sicherstellung und Untersuchung für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind, oder anzunehmen ist, dass eine Person Gegenstände im Körper verbirgt und diese Gegenstände sichergestellt werden können.
Für die körperliche Untersuchung muss die Staatsanwaltschaft den:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in befassen. Diese:r entscheidet darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Gefahr in Verzug kann die Staatsanwaltschaft die körperliche Untersuchung auch ohne gerichtliche Bewilligung anordnen. Sie muss jedoch unverzüglich die gerichtliche Bewilligung nachholen, damit ein:e Haft- und Rechtsschutzrichter:in beurteilen kann, ob die Voraussetzungen vorgelegen sind. Bewilligt der:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in die Maßnahme nicht, muss die Untersuchung abgebrochen werden und bereits erzielte Ergebnisse sind zu vernichten.
Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen.
Einen Mundhöhlenabstrich (zum Zwecke der Erlangung des biologischen Materials für eine molekulargenetische Untersuchung) kann aber die Kriminalpolizei von sich aus abnehmen. Dafür ist keine Anordnung der Staatsanwaltschaft oder eine gerichtliche Bewilligung erforderlich. Ein Mundhöhlenabstrich kann auch von einer anderen Person, die für diesen Zweck besonders geschult ist, abgenommen werden.
Observation ist das heimliche Überwachen des Verhaltens einer Person. Man kennt es aus Filmen – eine tatverdächtige Person verhält sich auffällig und versucht, unterzutauchen. Was nun? Eine „einfache“ Observation ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ausforschung des Aufenthalts eines flüchtigen Beschuldigten erforderlich erscheint. Eine solche Observation kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen.
Wird die Observation durch den Einsatz technischer Mittel (Peilsender oder GPS-Systeme) unterstützt oder über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden oder außerhalb des Bundesgebiets (grenzüberschreitend) durchgeführt, ist sie nur zulässig, wenn aufgrund einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten, vorsätzlich begangenen Straftat ermittelt wird. Eine solche Observation muss von der Staatsanwaltschaft in der Regel vorher schon angeordnet werden.
Den von der Durchführung der Observation betroffenen Personen (also nicht nur die:der Beschuldigte) steht das Recht des Einspruchs wegen Rechtsverletzung zu. Diese ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen (siehe zum Einspruch wegen Rechtsverletzung die Frage „Welche Rechte haben Personen, die von einem Ermittlungsverfahren betroffen sind “).
Bei der Tatrekonstruktion wird überprüft und dokumentiert, ob das behauptete Verhalten von Personen mit realen Gegebenheiten u.a. Beweismitteln in Einklang gebracht werden kann. Sie wird immer – auf Antrag der Staatsanwaltschaft – vom Gericht vorgenommen. Dabei wird der wahrscheinliche Verlauf der Tat am Tatort oder an einem anderen mit der Straftat zusammenhängenden Ort nachgestellt und davon Ton- und Bildaufnahmen gemacht. Der Staatsanwaltschaft, der:dem Beschuldigten, dem Opfer, der:dem Privatbeteiligten und deren Vertreter:innen ist Gelegenheit zu geben, sich an der Tatrekonstruktion zu beteiligen. Sie haben das Recht, Fragen zu stellen sowie ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu verlangen.
Eine Leiche wird gefunden und die Todesursache ist unklar. Was passiert dann? Hier kann die Staatsanwaltschaft eine Obduktion beauftragen, um zu klären, wie die Person zu Tode gekommen ist. Die Obduktion selbst übernimmt die Gerichtsmedizin. Dabei wird die Leiche auf Spuren untersucht und die Todesursache festgestellt. Die Staatsanwaltschaft hat danach die Freigabe der Leiche anzuordnen.
Die Polizei kann dann jemanden festnehmen, wenn eine Person wegen der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtigt wird. Die Festnahme soll sicherstellen, dass eine verdächtigte Person gefasst oder bestimmte Gefahren abgewehrt werden. Sie ist daher zulässig, wenn
- eine Person auf frischer Tat ertappt wird (z.B. bei einem Bankraub, wenn gerade versucht wird, mit der Beute zu entkommen) oder sie unmittelbar danach glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt (z.B. eine Zeugin bzw. ein Zeuge erkennt den:die Täter:in kurz darauf) oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen (z.B. der:die Täter:in wird mit der Beute bei einer Kontrolle angehalten);
- sie flüchtig ist oder sich verborgen hält bzw. die Gefahr dafür besteht (= Fluchtgefahr);
- sie versucht, Zeug:innen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlungen zu erschweren bzw. die Gefahr dafür besteht (= Verdunkelungsgefahr);
- die Gefahr besteht, dass sie eine weitere Tat, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, begehen wird oder die ihr angelastete versuchte Tat vollenden wird (= Tatbegehungsgefahr). In diesem Fall ist es zudem erforderlich, dass die Person wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig ist.
Die Staatsanwaltschaft muss in jedem Fall die Festnahme einer Person im Ermittlungsverfahren bei dem:der Haft- und Rechtsschutzrichter:in beantragen. Falls die Festnahme von dem:der Richter:in bewilligt wird, ordnet die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei die Festnahme der Person an.
im ersten genannten Fall kann die Kriminalpolizei von sich aus festnehmen. In den anderen Fällen nur dann, wenn wegen Gefahr in Verzug eine Anordnung der Staatsanwaltschaft (samt gerichtlicher Bewilligung) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. In diesen Fällen muss die gerichtliche Bewilligung nachgeholt werden.
Die Kriminalpolizei muss der Staatsanwaltschaft unverzüglich über die Festnahme berichten und die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob sie die Verhängung der Untersuchungshaft beantragen wird. Falls sie meint, dass die Voraussetzungen für die Verhängung der Untersuchungshaft nicht erfüllt sind, ordnet sie der Kriminalpolizei an, die Person freizulassen (sog. „Freifußanzeige“).
Falls für die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen der Untersuchungshaft vorliegen, muss die beschuldigte Person längstens binnen 48 Stunden ab dem Zeitpunkt der Festnahme in die Justizanstalt eingeliefert werden. Die Staatsanwaltschaft beantragt nach Einlieferung in die Justizanstalt bei Gericht die Verhängung der Untersuchungshaft. Über diesen Antrag muss der der:die Haft- und Rechtsschutzrichter:in am zuständigen Landesgericht innerhalb von 48 Stunden ab Einlieferung in die Justizanstalt entscheiden, ob er:sie die Untersuchungshaft verhängt oder nicht. Dabei prüft der:die Richter:in, ob ein dringender Tatverdacht gegen die beschuldigte Person sowie bestimmte Gefahren vorliegen (Fluchtgefahr-, Verdunkelungs- und/oder Tatbegehungsgefahr).
Gegen die Entscheidung des:der Haft- und Rechtsschutzrichter:in ist sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch der beschuldigten Person das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig (vgl. die Frage „Welche Rechte haben Personen, die von einem Ermittlungsverfahren betroffen sind “).
Jede festgenommene Person muss binnen 48 Stunden vom Richter bzw. von der Richterin vernommen werden. Nach der Vernehmung muss der:die Richter:in sofort entscheiden, ob die beschuldigte Person freigelassen wird oder ob über sie die Untersuchungshaft verhängt wird.
Die Untersuchungshaft kann nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und durch Entscheidung des Gerichts verhängt werden.
Sie darf nur verhängt werden, wenn gegen die beschuldigte Person Ermittlungen durchgeführt werden oder Anklage erhoben worden ist und die beschuldigte Person einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist.
Für die Verhängung der Untersuchungshaft muss einer dieser Haftgründe vorliegen:
- Fluchtgefahr
- Verabredungs- bzw. Verdunkelungsgefahr
- Gefahr der Begehung einer neuerlichen Straftat bzw. Weiterführung der bereits begonnenen Straftat
Darüber, ob beispielsweise eine Telefonüberwachung rechtswidrig war, entscheidet nicht dieselbe:derselbe Richter:in, die:der im Vorfeld die Anordnung der Ermittlungsmaßnahme genehmigt hat. Zuständig ist die Instanz darüber, nämlich das jeweilige Oberlandesgericht. Wenn das Oberlandesgericht feststellt, dass die Überwachung rechtswidrig war, trägt sie der Staatsanwaltschaft auf, die Überwachungsergebnisse zu vernichten. Diese dürfen für die Anklageerhebung nicht verwendet werden.
- Anklage: Wenn die Staatsanwaltschaft der Ansicht ist, dass eine Verurteilung naheliegt, dann erhebt sie Anklage. Darin fasst sie zusammen, welche Straftat(en) der beschuldigten Person zu Last gelegt werden, wie sich die Straftat nach den Ermittlungsergebnissen ereignet hat und welche Beweise vorliegen. Wenn ein Delikt angeklagt wird, das mit weniger als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht wird, wird in der Regel ein Strafantrag bei Gericht eingebracht, der im Vergleich zu einer Anklageschrift kürzer gefasst ist. Wird ein Strafantrag eingebracht, bedeutet das, dass ein:e Einzelrichter:in über den Fall verhandelt. Wird hingegen eine Anklageschrift eingebracht, bedeutet das, dass über den Fall ein Schöffen- oder Geschworenengericht entscheidet.
- Einstellung: Wenn sich der Verdacht nicht erhärtet hat, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Eine Anklage darf nur erhoben werden, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt auch dann, wenn die Tat nicht gerichtlich strafbar war oder die weitere Verfolgung des:der Beschuldigten aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist (z.B. wenn die Tat bereits verjährt ist; bei bestimmten Delikten die Ermächtigung des Verletzten nicht vorhanden ist; oder auch, wenn die Voraussetzungen für die „Tätige Reue“ erfüllt sind).
Es gibt auch Fälle, bei denen die Staatsanwaltschaft eine Anklage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erheben könnte, aber sie den Störwert der Tat als gering betrachtet und auch eine Diversion (siehe Punkt unten) nicht für geboten erachtet. In diesen Fällen stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. - Diversion: Eine Diversion bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft „von der Verfolgung zurücktritt“, wenn der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und der Beschuldigte „Verantwortung für den Sachverhalt übernimmt“, eine Bestrafung aber nicht notwendig erscheint. Bei Erfüllung der Pflichten ist das Verfahren erledigt.
Folgende Diversionsarten stehen zur Verfügung:
- Die:Der Täter:in zahlt einen Geldbetrag an den Bund oder erbringt eine gemeinnützige Leistung.
- Probezeit: Hier wird dem:der Beschuldigten die Pflicht auferlegt, dass innerhalb einer Probezeit von ein bis zwei Jahren keine Straftaten begangen werden. Dies wird in der Regel mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von bestimmten Pflichten (z.B. Schadenswiedergutmachung).
- Tatausgleich: Wenn sich der:die Täter:in beispielweise beim Opfer entschuldigt und Folgen der Tat ausgleicht.
Hier kommt es zu keiner Verurteilung – keinem Schuldspruch - und es scheint keine Meldung im Strafregister auf. Natürlich gibt es konkrete Voraussetzungen, damit eine Diversion überhaupt in Frage kommt:
- Die Tat darf nicht mit mehr als 5 Jahren Haft bedroht sein. Das sind Delikte wie z.B. Körperverletzung, Betrug, falsche Zeugenaussage.
- Die Schuld des:der Beschuldigten ist nicht als schwer anzusehen.
- Es darf (grundsätzlich) niemand an der Tat verstorben sein.
- Wenn die:der Täter:in sich bei der Tat auffallend und ungewöhnlich verhalten hat, scheidet eine Diversion aus.
Eine
Diversion kommt sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Hauptverfahren in
Frage. Die Staatsanwältin bzw. der Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren oder
der:die Richter:in im Hauptverfahren wählt die Diversionsart aus (keine
Wahlmöglichkeit der Verfahrensbeteiligten). Darüber hinaus kann von der beschuldigten
oder angeklagten Person verlangt werden, einen Beitrag zu den Pauschalkosten des
Strafverfahrens zu leisten. Erbringt man die auferlegten Pflichten nicht
vollständig, wird das Strafverfahren fortgesetzt und mit Urteil entschieden.