Causa Wienwert: Anklage wegen Anleihebetrug gegen Ex-Vorstände sowie Anklagen gegen weitere Personen als Beitragstäter
- Anklage gegen Ex-Vorstand der Immobiliengesellschaft Wienwert und dessen Vorgänger unter anderem wegen Betrugs, Untreue, Bilanzfälschung, betrügerischer Krida
- Ebenso Anklagen wegen Beitragstäterschaft gegen eine Unternehmensberatung, sowie Wiener SPÖ-Bezirksvorsteher Nevrivy und Wiener ÖVP-Stadtrat Mahrer
- Diversionsangebote für FPÖ-Nationalrats-Abgeordneten Tschank und ehemaligen Vizebürgermeister von Wien Gudenus
Presseinformation, 20.02.2025
Die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt Anklage in der Causa Wienwert.
Eine entsprechende Anklageschrift wurde beim Landesgericht für Strafsachen Wien
eingebacht.
Anklage gegen Ex-Vorstand sowie dessen Vorgänger u.a. wegen schweren Betrugs
Die Anklage wirft dem ehemaligen Vorstand der Immobiliengesellschaft Wienwert schweren Betrug, Untreue, Bilanzfälschung, betrügerische Krida, Beitrag zur Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechung und Vorteilszuwendung zur Beeinflussung („Anfüttern“) vor. Er soll die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschleiert und Anleger getäuscht haben, die in Immobilienentwicklungsprojekte der Wienwert-Gruppe investierten.
- Konkret sollen die jeweils Verantwortlichen der Wienwert-Gruppe über Jahre hinweg angeboten haben, in Immobilienentwicklung zu investieren und Anlegern dafür beachtliche Renditen versprochen haben. Anleihen wurden unter anderem in Fernsehspots breitenwirksam und durch eine vermeintliche Nähe zur Stadt Wien als besonders vertrauenswürdig beworben. Anleger sollen dadurch zu entsprechenden Investitionen verleitet worden sein, obwohl die Unternehmensgruppe bereits zahlungsunfähig war. Die Anlegergelder wurden nicht mehr für die beworbenen Projekte verwendet, sondern zur Rückzahlung fälliger Anleihen nach dem Prinzip „Loch auf, Loch zu“. Dadurch wurden mehr als 1800 Anleger:innen in einem Ausmaß von insgesamt rund 41 Millionen Euro geschädigt.
Darüber hinaus soll der erstangeklagte Vorstand u.a.
- Immobilien der Wienwert weit unter Wert an Dritte verkauft und damit allein einen Millionenschaden herbeigeführt haben,
- anderen Unternehmen aus der Firmengruppe noch Darlehen gewährt haben, obwohl diese bereits insolvent waren,
- private Verbindlichkeiten aus Unternehmensgeldern bezahlt haben,
- weit überhöhte Vorstandsvergütungen lukriert haben,
- sich für die Erstellung der Fortbestehensprognose des Unternehmens einen Bonus auszahlen haben lassen, obwohl dies zu seinen Kernaufgaben gehörte,
- sowie sachfremde Aufwendungen ohne Nutzen für das Unternehmen getätigt haben.
Dadurch seien dem Unternehmen beträchtliches Vermögen entzogen und die Anleger sowie andere Gläubiger geschädigt worden. Der diesbezügliche Gesamtschaden beläuft sich auf weit über 20 Millionen Euro. Die diesbezügliche Strafdrohung beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
Angeklagt sind auch
- die Vorgänger des erstangeklagten Vorstandes, die später in den Aufsichtsrat der Wienwert wechselten und die Sachverhalte teils mitzuverantworten haben,
- sowie ein Beratungsunternehmen als Beitragstäter zur Bilanzfälschung und betrügerischen Krida, aufgrund dessen Gutachten eine um mehrere Millionen Euro überhöhte Bewertung der Marke „Wienwert“ erfolgte.
Anklagen gegen Bezirksvorsteher Nevrivy und Stadtrat Mahrer
Im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung der Insolvenz der Causa Wienwert ebenfalls angeklagt werden SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy und ÖVP-Stadtrat Karl Mahrer sowie dessen Ehefrau:
- SPÖ-Bezirksvorsteher Nevrivy wird Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme zur Beeinflussung sowie Beitrag zur Untreue vorgeworfen. Er soll dem Wienwert-Vorstand den geplanten Standort für eine Remisen-Erweiterung der Wiener Linien verraten haben, worauf dieser das Grundstück privat vorab erwarb und die Wiener Linien es ihm sodann zu einem weit höheren Preis abkaufen mussten. Dadurch entstand den Wiener Linien und am Ende der Stadt Wien ein Schaden von rund 850.000 Euro. Als Gegenleistung soll die Immobiliengesellschaft Wienwert ihm mehrere VIP-Tickets für die Wiener Fußball-Derbys Austria gegen Rapid sowie Spiele der österreichischen Fußballnationalmannschaft bezahlt haben. Darüber hinaus habe Wienwert auf Veranlassung Nevrivys einer Musikgruppe aus dessen Heimatbezirk insgesamt 36.000 Euro überwiesen, ohne dass dies sachgerecht gewesen wäre oder dafür eine aus Unternehmenssicht werthaltige Gegenleistung vorhanden war.
- ÖVP-Stadtrat Karl Mahrer und seiner Ehefrau wird Beitrag zur Untreue des angeklagten Vorstandes vorgeworfen. So habe das von Mahrers Frau geführte PR-Beratungsunternehmen Charisma über einen Zeitraum von sieben Monaten insgesamt rund 84.000 Euro von der Immobiliengesellschaft Wienwert erhalten, ohne entsprechend werthaltige Gegenleistungen erbracht zu haben. Karl Mahrer, damals Landespolizei-Vizepräsident von Wien und später ÖVP-Nationalratsabgeordneter, stand zwar in keinerlei rechtlicher Beziehung zum PR-Unternehmen Charisma, im Zusammenhang mit den Zahlungen von Wienwert trat er jedoch immer wieder für die PR-Agentur auf. Laut Anklage sollte das monatliche Honorar eine nicht näher definierte Unterstützung des erstangeklagten Vorstandes und der Wienwert-Gruppe durch ein allfälliges Nutzbarmachen der politischen Kontakte des Karl Mahrer abdecken.
Diversionsangebot für NR-Abgeordneten Tschank und Ex-Vizebürgermeister Gudenus
Dem aktiven FPÖ-Nationalratsabgeordneten Markus Tschank und dem ehemaligen Vizebürgermeister von Wien Johann Gudenus wurde eine Diversion aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen angeboten:
- Der damalige Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus ersuchte den angeklagten Wienwert-Vorstand um eine Spende an den operativ nicht tätigen FPÖ-nahen Verein „Wirtschaft für Österreich“.
- Der Nationalratsabgeordnete Markus Tschank fungierte damals als Obmann des Vereins „Wirtschaft für Österreich“ und übermittelte nach Rücksprache mit Gudenus ein Spendenersuchen an die Immobiliengesellschaft Wienwert. Die darauffolgende Zuwendung von 10.000 Euro wird von der Staatsanwaltschaft als nicht deklarierte Parteispende gewertet, die aus Sicht des Unternehmens ohne werthaltige Gegenleistung und mit Wissen aller Beteiligten aus rein sachfremden Interessen erfolgte, womit Gudenus und Tschank einen Beitrag zur Untreue des Vorstandes leisteten.
Beide Beschuldigten und der belangte Verein haben die Verantwortung übernommen, wodurch die gesetzlichen Voraussetzungen für das Angebot einer Diversion erfüllt waren. Die Diversion in Form der Zahlung eines Geldbetrages samt Schadenswiedergutmachung wurde beiden Beschuldigten angeboten; das Verfahren ist noch offen.
Umfangreiche Ermittlungen zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Wienwert-Insolvenz
Die Ermittlungen zur strafrechtliche Aufarbeitung der Wienwert-Insolvenz begannen im Herbst 2017 und gestalteten sich äußerst umfangreich:
- Komplexe Vorwürfe gegen 22 Beschuldigte und 7 Verbände waren aufzuarbeiten, der Akt umfasst rund 380.000 Seiten in rund 130 Bänden,
- darunter u.a. ein mehrteiliges Sachverständigen-Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der Wienwert-Gruppe, das allein bereits 8000 Seiten aufweist.
- Das Landeskriminalamt Wien und das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung erstatteten insgesamt rund 85 Ermittlungsberichte.
- Das Ermittlungsverfahren wurde mehrfach überprüft: Das Beschleunigungsgebot (§ 9 StPO) wurde zu keinem Zeitpunkt verletzt, da die Gründe für die lange Verfahrensdauer nicht im Einflussbereich der Staatsanwaltschaft lagen, was auch vom Gericht so festgestellt wurde (§ 108a StPO alt).
- Die erste Teilenderledigung sowie die ersten Vorhabensberichte zur Enderledigung der Verfahrensstränge Nevrivy und Gudenus/Tschank ua erfolgten bereits im Sommer bzw. Herbst 2022, der erste Vorhabensbericht zur Enderledigung aller darüber hinaus noch offenen Vorwürfe, darunter auch des Verfahrensstrangs Mahrer, erfolgte im Jänner 2024.
Die Anklage erfolgte nach entsprechenden
Vorhabensberichten an die Oberstaatsanwaltschaft Wien bzw. das
Bundesministerium für Justiz nach Befassung des Weisungsrates.
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