Zur Hauptnavigation [1] Zum Inhalt [2] Zum Untermenü [3]

Geschichte und Gerichtsorganisation

Das Revolutionsjahr 1848 prägte in wesentlicher Weise auch die österreichische Gerichtsbarkeit der damaligen Zeit mit Erscheinungsformen, die bis in die Gegenwart wirken. Die damit verbundene Gerichtsorganisation brachte damals - hier besonders interessierend - vor allem vier Gerichtsebenen bzw. Gerichtstypen: Bezirksgerichte, Landesgerichte, Oberlandesgerichte und einen Obersten Gerichtshof. Auf diese vier Gerichtsarten wurden die erstinstanzlichen Verfahren - differenziert nach Höhe des Streitwertes bzw. Schwere der Straftat - und die Überprüfung von richterlichen Entscheidungen im Rechtsmittelwege überschaubar verteilt. Dass sich dabei der (einzige) Oberste Gerichtshof schon zur Zeit der Monarchie in Wien befand ist verständlich, dass er 1918 dort bis heute (sieht man von der Zeit des Nationalsozialismus ab) verblieb, bekannt.

Die nächste Ebene unter dem Obersten Gerichtshof wurde und wird von den Oberlandesgerichten gebildet. Im Jahre 1855 waren es im ganzen Kaiserreich neunzehn, heute sind es in Österreich vier, nämlich in Wien, Linz, Innsbruck und Graz. Sie werden in erster Linie als Rechtsmittelgerichte tätig. Als nächstes folgten die sogenannten Gerichtshöfe erster Instanz. Dieser Sammelbegriff war notwendig geworden, weil es außer den Landesgerichten auch noch Kreisgerichte und - teilweise später - Spezialgerichtshöfe für Handels-, Jugend- sowie Arbeits- und Sozialrechtssachen gab bzw. geben sollte. Von all diesen existierte zur Zeit der Monarchie naturgemäß schon eine erhebliche Zahl, im Bereich des heutigen Österreichs waren es ursprünglich siebzehn, heute sind es zwanzig, nachdem der Jugendgerichtshof in Wien 2003 aufgelöst worden war (Bundesgesetzblatt 30/2003). Auf den Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz entfallen davon das Landesgericht für Zivilrechtssachen und das Landesgericht für Strafsachen in Graz, das Landesgericht Klagenfurt und das Landesgericht Leoben. Die unterste Ebene bildeten schließlich die Bezirksgerichte. „Unterste“ in diesem Zusammenhang ist naturgemäß keine Wertung sondern bloß Ausdruck der Position im Rechtsprechungsgefüge. In der Steiermark gab es zunächst 45 Bezirksgerichte, davon im Sprengel des Landesgerichtes Leoben 22 (Reichsgesetzblatt 339/1849). Diese wurden im Laufe der Zeit zusammengelegt. Bezirksgerichte gibt es jetzt noch in Schladming, Liezen, Murau, Judenburg, Mürzzuschlag, Bruck/Mur und Leoben. Abgesehen von Gerichtszusammenlegungen, Modifizierungen der Sprengelgrößen, Zuständigkeitsverschiebungen durch Änderungen der Wertgrenzen und auch Umbenennungen gab es naturgemäß in den letzten 160 Jahren immer wieder auch Vorschläge oder Denkanstöße für tatsächliche inhaltliche Änderungen dieser Gerichtsorganisation. So war beispielsweise davon die Rede, die Gerichtshöfe erster Instanz aufzulösen und ihre Agenden an die Bezirksgerichte zu verteilen. Oder diese Gerichtshöfe sollten verstärkt und dafür auf die Oberlandesgerichte verzichtet werden. Mehrheitsfähig wurde nichts davon, das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Grundsystem blieb aufrecht und gilt noch heute.

Das Landesgericht Leoben

Nach Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die neue Gerichtsorganisation ging es nun daran, diese umzusetzen. Es stellte sich die bekannte Frage nach dem „wo“ und „mit wem“. Die Entscheidung für Leoben wurde bereits am 25. Juli 1849 publiziert (Reichsgesetzblatt 339/1849) und auch die personelle Spitze für die Obersteiermark sehr bald entschieden. Mit 28.12.1849 wurde der bisherige „Rat des Steiermärkischen Landrechtes“ Dr. Heinrich Perissutti zum Präsidenten des Landesgerichtes Leoben ernannt. Er legte am 18. Februar 1850 in Graz den Diensteid ab und nahm seine Tätigkeit am 4. April 1850 tatsächlich auf. Er zog - damals selbstverständlich - nach Leoben, es gibt Hinweise, er habe am Unteren Platz, Haus Nummer 121 gewohnt (heute Timmersdorfergasse 2). Auch die Unterbringungsfrage für das Gericht in Leoben konnte in kurzer Zeit erfolgreich geregelt werde. Dieses sollte in das frühere Dominikanerkloster (jetzt Grundbuch 60327 Leoben Einlagezahl 103) einziehen, ein Gebäude, das im Eigentum der Stadt Leoben stand und der Justiz auf immerwährende Zeit für deren Zwecke überlassen wurde (Vertrag vom 11. August 1853). Dieses musste aber erst für die neue Aufgabe adaptiert werden und das dauerte dann doch einige Zeit, nämlich bis in den Frühsommer 1856.

Die bereits angesprochenen Modifizierungen der Gerichtsorganisation waren in den ersten Jahren im Raum Leoben relativ deutlich spürbar. Zum einen wurden die Oberlandesgerichte Graz und Klagenfurt mit Sitz in Graz zusammengelegt (1852 verfügt und 1854 umgesetzt) und zum anderen kam es zur bezeichnungsmäßigen „Zurückstufung“ des Landesgerichtes Leoben zu einem „Kreisgericht“ (19. Jänner 1853).

Der Erste Weltkrieg, der Untergang der Monarchie, die Erste Republik und der Ständestaat brachten gerichtsorganisationsmäßig in der Obersteiermark nur eine ins Gewicht fallende, dauerhafte Veränderung. Die Bezirksgerichte Aflenz, Mautern und Obdach wurden mit Nachbargerichten zusammengelegt (Bundesgesetzblatt 187/1923; 276/1923). Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1938 ging allerdings die eigenständige österreichische Gerichtsbarkeit unter. Recht sollte nur mehr „Im Namen des Deutschen Volkes“ gesprochen werden und hatte wohl auch zum Teil einen anderen Stellenwert als bisher. Rein terminologisch wurde aus dem Kreisgericht ein Landgericht, die Bezirksgerichte mutierten zu Amtsgerichten (Gesetzblatt für das Land Österreich 350/1938). Was sich weiters änderte, war die Fläche des Sprengels. Das Ausseerland wurde von der Steiermark abgetrennt und dem Gau „Oberdonau“ und damit dem Sprengel des Landgerichtes Wels zugeordnet.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zur Wiederherstellung der am 13. März 1938 bestandene Gerichtsorganisation, Bad Aussee kehrte daher in den Sprengel des Leobener Gerichtshofes zurück (Staatsgesetzblatt 47/1945). Es gab auch noch weitere Veränderungen. Die wesentlichste im Laufe der Zeit war wohl, dass die 1946 eingerichteten Arbeitsgerichte, welche die früheren Gewerbegerichte abgelöst hatten, gemeinsam mit den Schiedsgerichten der Sozialversicherung und den Einigungsämtern mit 1. Jänner 1987 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit aufgingen (Bundesgesetzblatt 104/1985).

Wie bereits angedeutet, war die Terminologie des Leobener Gerichtshofes Veränderungen unterworfen. Anfang 1849 war unter anderem das „Landesgericht“ Leoben geschaffen worden. Mit Verordnung vom 19. Jänner 1853 (Reichsgesetzblatt 10/1853) auf „Kreisgericht“ zurückgestuft, wandelten die Nationalsozialisten die Bezeichnung ab 13. August 1938 (Gesetzblatt für das Land Österreich 350/1938) in „Landgericht“ um. Das Gerichtsorganisationsgesetz vom 3. Juli 1945 (Staatsgesetzblatt 47/1945) stelle das „Kreisgericht“ wieder her, bis es am 1. März 1993 so weit war, dass die ursprünglichste Benennung „Landesgericht“ abermals zum Leben erweckt werden konnte (Bundesgesetzblatt 91/1993). Ohne dass sich in der gesamten Zeit an den Zuständigkeiten und Aufgaben wirklich nennenswertes geändert hätte, bekam der Gerichtshof in Leoben drei verschiedene Bezeichnungen in fünf Zeitabschnitten.