Häufige Fragen – Corona und Justiz
Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 werfen auch für die Justiz zahlreiche praktische Fragen auf, die hier beantwortet werden.
Die hier zur Verfügung gestellten Informationen können die Rechtslage naturgemäß nur allgemein, vom Einzelfall abgehoben darstellen. Wenn Sie ein konkretes Rechtsproblem im Zivil- oder Strafrecht haben, ist es zweckmäßig, fachkundigen Rat einzuholen.
Allgemeine Informationen zu diesem Thema sowie die Rechtsgrundlagen der justizbezogenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 finden Sie auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Justiz: www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/COVID-19.html
Stand: 1. Mai 2023
Kontakt zu Gerichten und Staatsanwaltschaften
In allen parteiöffentlichen Bereichen gilt die Pflicht zum Tragen jenes Gesichtsschutzes, der den jeweils geltenden Vorschriften folgend in den öffentlichen Verkehrsmitteln verwendet werden muss (im Folgenden: GSÖ).
Bitte erkundigen Sie sich, bevor Sie zu Gericht kommen, welche aktuellen Regelungen vor Ort gelten.
Wenn Sie von einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft eine Ladung zu einem Termin erhalten haben, müssen Sie diesen jedenfalls wahrnehmen. Sonstige Vorsprachen bei Gericht (etwa im Rahmen eines Amtstags) sind nur nach vorhergehender telefonischer Terminvereinbarung oder in dringenden Fällen möglich. Um sicher zu gehen wird empfohlen, vor jeder beabsichtigten Vorsprache das konkrete Gericht oder die Staatsanwaltschaft anzurufen.
Bei einer Vorsprache bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft gilt im gesamten Gebäude die Pflicht, einen Gesichtsschutzes, der den jeweils geltenden Vorschriften folgend in den öffentlichen Verkehrsmitteln verwendet werden muss, zu tragen.
Bei Besucher:innen von Verhandlungen kann der Zugang zu Gericht vom Vorliegen eines 3G-Nachweises abhängig gemacht werden. Gleiches gilt für Sachverständige und Dolmetscher:innen.
Bitte erkundigen Sie sich, bevor Sie zu Gericht kommen, welche aktuellen Regelungen vor Ort gelten.
Alle Eingaben an Gerichte oder Staatsanwaltschaften sind nur durch Abgabe direkt bei Gericht, per Post oder im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs, einzubringen. In dringenden Fällen können Sie nach telefonischer Voranmeldung Ihr Anbringen bei Gericht zu Protokoll zu geben. Bitte senden Sie daher keine E-Mails an Gerichte und Staatsanwaltschaften. Diese sind rechtlich unzulässig und daher nicht wirksam. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte telefonisch an das zuständige Gericht oder an die zuständige Staatsanwaltschaft.
Falls Ihre Verhandlung abgesagt wurde, müssen Sie nicht zum Gericht kommen. Sie werden von einem neuen Termin verständigt, sobald dieser angesetzt wird.
Ja. Sie müssen einer Ladung Folge leisten und grundsätzlich zu Gericht kommen. Allerdings besteht in Zivilverfahren (nicht aber in Strafverfahren) auch die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen (wie eine erhöhte Gesundheitsgefährdung durch COVID-19) eine Vernehmung im Wege einer Videokonferenz zu beantragen. Setzen Sie sich bitte mit dem Gericht in Verbindung, um sich zu informieren. Sie finden die Telefonnummer auf der Ladung.
Strafverfahren
Es gibt aufgrund von Covid-19 keine besonderen Regelungen mehr für Strafverfahren.
Zivilrecht und Zivilverfahren
Allgemeines
In Zivilverfahren besteht für solche Personen die Möglichkeit, die Teilnahme an der Verhandlung per Videokonferenz statt durch persönliches Erscheinen zu beantragen. Jede als Verfahrensbeteiligte*r, Zeugin bzw. Zeuge, Sachverständige*r, Dolmetscher*in und sonst dem Verfahren beizuziehende Person kann dies beantragen, wenn eine erhöhte Gesundheitsgefährdung durch COVID-19 für sie oder für Personen besteht, mit denen sie in notwendigem privaten oder beruflichen Kontakt steht. Diese erhöhte Gefährdung ist zu bescheinigen, es ist also mit dem Antrag ein entsprechender Nachweis vorzulegen.
Stehen einer Partei oder einer Zeugin bzw. einem Zeugen die dafür geeigneten technischen Kommunikationsmittel nicht zur Verfügung, so kann eine nicht durch eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt vertretene Partei die Vertagung der Verhandlung beantragen; eine vertretene Partei sowie die Zeugin bzw. der Zeuge kann hingegen die vorläufige Abstandnahme von der Vernehmung beantragen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist derartigen Anträgen stattzugeben.
Ja. In Zivilverfahren liegt es im Ermessen der Richterin bzw. des Richters, zum Schutz aller Beteiligten vor COVID-19 Videoverhandlungen anzuberaumen. Allerdings müssen grundsätzlich auch die Verfahrensparteien zustimmen. Das Einverständnis gilt als erteilt, wenn sich die Parteien nicht innerhalb einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist dagegen aussprechen. Zu dieser Regel gibt es Ausnahmen:
In Unterbringungs-, Heimaufenthalts- und Erwachsenschutzsachen kann auch ohne Einverständnis der Parteien via Videokonferenz verhandelt werden. Dies gilt sofern die Verhandlung außerhalb des Gerichts, also etwa vor Ort durchzuführen wäre und andernfalls die Gesundheit einer am Verfahren beteiligten Person oder Dritter ernstlich gefährdet wäre. Auch in Verfahren nach dem Tuberkulose- und nach dem Epidemiegesetz kann, wenn ansonsten eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, das Gericht die erkrankte Person unter Verwendung technischer Einrichtungen anhören.
In Exekutions- und Insolvenzverfahren ist eine Zustimmung der Parteien nicht erforderlich. Allerdings ist eine Videoverhandlung dann nicht möglich, wenn eine zu vernehmende oder teilnahmeberechtigte Person binnen einer Woche ab Zustellung der Ladung bescheinigt, dass sie nicht über die technischen Kommunikationsmittel für eine Videokonferenz verfügt.
Familie und Heimaufenthalt
Kontakte zwischen Kindern und ihren Eltern sind nicht eingeschränkt, bestehende Kontaktrechtsregelungen sind unverändert gültig und verbindlich. Eltern können auch - wie bisher - einvernehmlich andere Besuchsregelungen treffen (im Streitfall müsste das zuständige Pflegschaftsgericht entscheiden).
Überlegen Sie gemeinsam, wie vorzugehen ist, wenn in einem Haushalt besonders gefährdete Personen leben (zB Großeltern oder Menschen mit Vorerkrankungen). Gehen Sie zum Schutz Ihrer Gesundheit und der Ihrer Kinder gemeinsam mit Hausverstand vor und nehmen Sie die Gefahren ernst. Überlegen Sie gemeinsam, ob Sie zum Schutz von besonders gefährdeten Menschen den Kontakt nicht vorübergehend einschränken und vermehrt auf Telefonate und Videotelefonie umsteigen können.
Wir können nur an alle appellieren, die Gefahren ernst zu nehmen und in dieser Krisenzeit eine einvernehmliche Lösung zu finden, die zu der konkreten Situation passt. Helfen Sie mit, diese Krisensituation gemeinsam zu bewältigen.
Im Fall einer behördliche verhängten Quarantäne sind natürlich die behördlichen Auflagen jedenfalls einzuhalten.
Ist es in diesen Zeiten möglich, entführte Kinder zurückzuführen?
Der Betrieb der Gerichte und des Bundesministeriums für Justiz steht für dringende Angelegenheiten des Kindschaftsrechts weiterhin zur Verfügung. Dazu zählen zweifellos auch Rückführungen entführter Kinder. Inwieweit es allerdings faktisch möglich ist, die Rückführung in der Praxis umzusetzen, wenn Einreisesperren bestehen und Flugverbindungen reduziert werden, muss im Einzelfall geprüft werden. Dabei kann auch das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten behilflich sein.
Allfällige Ein- und Ausreisesperren ändern nichts an der familienrechtlichen Rechtslage. Wenn physische Kontakte dadurch nicht zulässig sind, muss der Kontakt freilich nicht völlig abgebrochen, sondern kann über Telefon, Videotelefonie, Skype uä ausgeübt werden. Diese Vorgangsweise entspricht im Übrigen den allgemeinen Empfehlungen der österreichischen Bundesregierung, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, allerdings ohne physische Begegnung.
Ja, Unterhalt ist weiter zu zahlen. Aufgrund einer geänderten finanziellen Situation kann es aber auch zu einer Änderung der Unterhaltspflicht kommen. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/alleinerziehun
Bitte kontaktieren Sie telefonisch beispielsweise eine der angeführten Beratungsstellen oder wenden Sie sich an die Polizei
Frauennotruf Wien: 01 71 71 9
Betroffene in Wien können sich für eine rasche Soforthilfe, aber auch für allgemeine Informationen kostenlos und rund um die Uhr an den Frauennotruf wenden.
Frauenhäuser Wien: 05 77 22
Die Frauenhäuser bieten Frauen und ihren Kindern neben anonymen und kostenlosen Beratungsgesprächen direkten Schutz und Sicherheit durch eine vorübergehende Wohnmöglichkeit. Der Notruf ist Tag und Nacht erreichbar.
Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555
Die Frauenhelpline ist die zentrale Informationsstelle der Österreichischen Frauenhäuser in den Bundesländern und bietet 24 Stunden kostenlose Tipps und Antworten. Die Beratung wird in unterschiedlichen Sprachen angeboten.
Die Telefonnummer des Bundesverbandes aller Gewaltschutzzentren Österreichs lautet: 0810 955222 und die Web-Adresse: https://www.gewaltschutzzentrum.at/.
Nummer der Polizei: 133 oder 112
Bei akuter Gewalt muss die Polizei verständigt werden. SMS an: 0800 133 133 (auch Notruf für Gehörlose)
Ja. Diese Verfahren werden unverändert durchgeführt. Wer einen Unterhaltstitel (zB Gerichtsbeschluss oder vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung) hat, kann bis 30. Juni 2023 Unterhaltsvorschuss selbst dann gewährt bekommen, wenn zuvor kein Exekutionsantrag eingebracht wurde. Die Gewährung erfolgt jedoch für längstens ein halbes Jahr.
Verfahren, die zur Überprüfung eines Freiheitsentzugs dienen, sind auch weiterhin innerhalb der gesetzlichen Fristen durchzuführen und es ist eine mündliche Verhandlung abzuhalten. Darunter fällt etwa das Überprüfungsverfahren betreffend eine aufrechte Freiheitsbeschränkung nach dem Heimaufenthaltsgesetz. § 3 des 1. COVID-19-Justizbegleitgesetzes erleichtert allerdings die Durchführung dieser (unbedingt erforderlichen) Beweisaufnahmen insoweit, als sie unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel (Videotelefonie, Telefonie) stattfinden können.
Wohnungs- und Geschäftsraummiete, Räumungen
Ein spezieller Kündigungsschutz galt für Mieter:innen von Wohnraum, die durch die COVID-19-Krise in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wurden und deswegen mit Mietzinszahlungen, die im Zeitraum von 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 fällig wurden, ganz oder teilweise in Verzug gerieten. Ihr Mietvertrag konnte allein wegen des Mietzinsrückstands aus diesem Zeitraum (April bis Juni 2020) bis Ende Juni 2022 weder gekündigt noch wegen qualifizierten Mietzinsrückstands aufgehoben werden. Solche Zahlungsrückstände konnte die bzw. der Vermieter:in auch erst nach dem 31. März 2021 gerichtlich einklagen, wenn auch mit Verzugszinsen von höchstens 4 Prozent per annum. Auch ein (teilweises) einseitiges Einbehalten der Kaution zur Tilgung dieser Zahlungsrückstände war bis 31. März 2021 nicht möglich. Eine Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien über die Verwendung der Kaution zur Begleichung des Mietzinsrückstands war aber zulässig, sofern dies nicht mit einer Verpflichtung der Mieterin bzw. des Mieters zur Wiederauffüllung der Kaution bis 31. März 2021 verknüpft wurde. Die genannten Erleichterungen gelten für sämtliche Wohnraummieten, egal ob sie dem MRG unterliegen oder nicht; sie gelten jedoch nicht für Geschäftsraummieten oder Pacht.
Nein, das gilt dann nicht. Eine Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien über die Verwendung der Kaution zur Begleichung des Mietzinsrückstands ist durchaus zulässig. Denn eine solche Vereinbarung ist sogar zum Vorteil der Mieter*innen, weil sie sich dadurch die Zinsen in Höhe von 4 % ersparen, die sie sonst für den Mietzinsrückstand zahlen müssten. Allerdings darf die Vereinbarung nicht mit einer Verpflichtung der Mieterin bzw. des Mieters zur Wiederauffüllung der Kaution bis 31. März 2021 verknüpft worden sein, weil dadurch der Zweck der gesamten Bestimmung unterlaufen worden wäre.
Aus den §§ 1104 f ABGB und § 1096 ABGB kann abgeleitet werden, dass nach geltendem Recht der Vermieter das Risiko dafür trägt, dass der Geschäftsraum wegen außerordentlicher Zufälle nicht gebraucht werden kann.
Der OGH hat mit einer Entscheidung vom 21. Oktober 2021 klargestellt, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie unzweifelhaft um einen „außerordentlichen Zufall“ im Sinn des § 1104 ABGB, nämlich eine „Seuche“, handelt. Wenn ein Geschäftsraummieter sein Geschäftslokal aufgrund eines behördlich angeordneten Betretungsverbots gar nicht mehr nutzen kann, kommt es zu einer vollständigen Mietzinsbefreiung. Das bloße Belassen von Inventar in den Geschäftsräumen stellt nach dieser Entscheidung keine teilweise Nutzung zum vertraglich vereinbarten Zweck dar und hat demgemäß auch keinen Anspruch des Vermieters auf teilweise Leistung des Mietzinses zur Folge.
Dem Mieter einer Geschäftsräumlichkeit kann daher – je nach Grad der Einschränkung – eine Mietszinsreduktion (bis zum gänzlichen Mietzinsentfall) zustehen. Dies gilt für alle Geschäftsraummieten, unabhängig davon, ob das MRG anwendbar ist. Freilich müssen jeweils die Umstände des Einzelfalls und der konkrete Vertrag berücksichtigt werden.
Die Räumungsexekution kann bei drohender Obdachlosigkeit auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen nach § 35 MRG aufgeschoben werden.
Bis 30. Juni 2021 war zudem die Bewilligung eines Räumungsaufschubs nach § 6 2. COVID-19-JuBG (in der Fassung vor 1. Juli 2021) möglich.
Exekutionsrecht - Allgemeines
Bei zwei Exekutionsarten sieht die EO eine Aufschiebung vor: bei der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft und bei der Exekution auf bewegliche Sachen (Fahrnisexekution, § 282a EO). Die Exekution ist nach § 158 EO auf Antrag des:der Verpflichteten ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung aufzuschieben, wenn der:die Verpflichtete aufgrund einer Naturkatastrophe, darunter fällt auch eine Pandemie, in wirtschaftliche Probleme geraten ist, welche zur Einleitung der Exekution geführt haben und wenn die Exekution die wirtschaftliche Existenz des:der Verpflichteten vernichten würde. Die Aufschiebung hat zu erfolgen, sofern nicht die Gefahr besteht, dass der:die betreibende Gläubiger:in durch die Aufschiebung schwer geschädigt wird, insbesondere wenn seine:ihre Forderung ganz oder teilweise uneinbringlich werden könnte.
Zur Möglichkeit des Räumungsaufschubs siehe die Antwort zu den Fragen: „Werden Delogierungen durchgeführt?“ und „Kann eine Delogierung (Räumungsexekution) aufgeschoben werden?“)
Das Exekutionsgericht kann keine Ratenzahlung anordnen. Nach § 45a EO ist die Exekution aber auf Antrag ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung aufzuschieben, wenn zwischen den Parteien eine Zahlungsvereinbarung getroffen wurde.
Insolvenzrecht
Ein*e Schuldner*in hat bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieses ohne schuldhaftes Zögern zu beantragen.
Ist die Insolvenz aufgrund der COVID-19-Epidemie eingetreten, beträgt die - ansonsten 60-tägige Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags - 120 Tage. Damit bleibt den Unternehmen deutlich mehr Zeit, um zu beurteilen, wie die Krise überwunden werden kann, was etwa auch davon abhängt, inwieweit das Unternehmen mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen rechnen kann.
Die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung war bis zum 30. Juni 2021 ausgesetzt. Auch auf Antrag einer Gläubigerin bzw. eines Gläubigers war ein Insolvenzverfahren bis zum 30. Juni 2021 nur wegen Zahlungsunfähigkeit und nicht bei Überschuldung zu eröffnen.
Ist der Schuldner bei Ablauf des 30. Juni 2021 überschuldet und besteht eine negative Fortbestehensprognose, so hat er spätestens 60 Tage nach Ablauf des 30. Juni 2021 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nachdem welcher Zeitraum später endet, einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen.
Bis zum 30.6.2021 konnten verfahrensrechtliche Fristen nach § 7 2. COVID-19-Justiz-Begeitgesetz (idF vor 1. Juli 2021) im Insolvenzverfahren auf Antrag einer bzw. eines Beteiligten (das sind insbesondere Schuldner*innen, Gläubiger*innen oder Insolvenzverwalter*innen) oder von Amts wegen angemessen, höchstens um 90 Tage, verlängert werden.
Erleichterter Sanierungsplan: Die Zahlungshöchstfrist für einen Sanierungsplan wird von zwei auf drei Jahre verlängert (§ 11a 2. COVID-19-JuBG). Erfasst sind Anträge auf Abschluss eines Sanierungsplans, die bis 31. Dezember 2021 eingebracht werden.
Jahresabschluss und Bilanzierung
Für Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereinen wurde die Aufstellungsfrist von bisher fünf auf höchstens neun Monate und die Offenlegungsfrist (sowie die Veröffentlichungsfrist) von bisher neun auf zwölf Monate verlängert.
Diese Regelung gilt für alle Jahresabschlüsse mit Bilanzstichtag zwischen dem 16. Oktober 2019 und dem 1. Juli 2022, und für alle gleichzeitig vorzulegenden Unterlagen. Dazu zählen zum Beispiel der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht ebenso wie der gesonderte nichtfinanzielle Bericht.
Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Jahresabschluss mit Abschlussstichtag am 31. Dezember 2021 erst zwölf Monate später eingereicht werden muss, also bis zum 31. Dezember 2022.
Für Unterlagen der Rechnungslegung, bei denen der Bilanzstichtag nach dem 30. Juni 2022, aber vor dem 31. Oktober 2022 liegt, gibt es ein fixes Ende der Aufstellungsfrist (diese endet spätestens am 31. März 2023) und der Offenlegungsfrist (diese endet spätestens am 30. Juni 2023).
Das bedeutet zum Beispiel, dass sich für Jahresabschlüsse mit Abschlussstichtag am 30. Juni 2022 die Offenlegungsfrist noch auf elf Monate verlängert, während Jahresabschlüsse zum 31. Oktober 2022 regulär nach neun Monaten eingereicht werden müssen.
Privatkonkurs
Bis zum 30. Juni 2021 konnte der Schuldner bzw. die Schuldnerin bei Verschlechterung seiner bzw. ihrer finanziellen Lage aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 vor oder binnen 14 Tagen nach einer Mahnung durch die bzw. den Gläubiger*in einen Antrag auf Stundung der Zahlungsplanraten um bis zu 9 Monate stellen (§ 11 2. COVID-19-JuBG in der Fassung vor 1. Juli 2021).
Notariatsakte und Beglaubigungen
Ja. Die Notarinnen und Notare stellen auch weiterhin eine flächendeckende Versorgung mit notariellen Dienstleistungen sicher. Weiterführende Informationen einschließlich der jeweiligen Kontaktdaten und Öffnungszeiten der Notariate finden sich unter dem jeweiligen Eintrag bei der unter www.notar.at verfügbaren Notarsuche. Darüber hinaus wurden zuletzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass notarielle Amtshandlungen (wie etwa Beglaubigungen oder die Errichtung von Notariatsakten) unter gewissen Voraussetzungen auch elektronisch erledigt werden können.
Sie benötigen ebenso wie alle anderen Beteiligten und wie auch die Notarin bzw. der Notar die technische Ausstattung für eine Videokonferenz. Darüber hinaus ist eine elektronische Signatur erforderlich. Sie und alle anderen Parteien, die eine Unterschrift leisten müssen, benötigen daher entweder eine Bürgerkarte oder eine Handy-Signatur (buergerkarte.at).
Es findet eine Videokonferenz mit der Notarin bzw. dem Notar statt. Alle Beteiligten müssen dazu gleichzeitig und ununterbrochen mit der Notarin bzw. dem Notar verbunden sein. Zunächst wird die Identität der Parteien festgestellt, wofür diese einen amtlichen Lichtbildausweis benötigen. Wird später eine Unterschrift beglaubigt, muss dabei eine ununterbrochene Audio- und Videoverbindung mit der Notarin bzw. dem Notar bestehen und von dieser bzw. diesem das Leisten der elektronischen Signatur beobachtet werden. Sie benötigen daher entweder eine Bürgerkarte oder eine Handy-Signatur (buergerkarte.at).
Die Identitätsfeststellung, für die eine ununterbrochene Video- und Audioverbindung erforderlich ist und die aufgezeichnet wird, erfolgt durch Vorzeigen eines amtlichen Lichtbildausweises. Dieser wird von der Notarin bzw. vom Notar via Video anhand zahlreicher Kriterien genau geprüft.
Die bzw. der Notar*in hat dann mit dem Vorgang innezuhalten und erst dann fortzufahren, wenn die Verbindung wieder vollständig hergestellt ist.
Die Möglichkeit, bestimmte notarielle Amtshandlungen auch in elektronischer Form zu erledigen, gilt unbegrenzt und nicht mehr nur für die Dauer der COVID-19-Krise. Die entsprechende Regelung findet sich in § 90a Notariatsordnung, die mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2020 in das Dauerrecht übernommen wurde.
Kredite
Für Verbraucher*innen und Kleinstunternehmer*innen, die mit der Rückzahlung eines vor 15. März 2020 abgeschlossenen Kreditvertrags wegen der COVID-19-Krise in Verzug geraten sind, gibt es Erleichterungen: Hatten diese Verbraucher*innen oder Kleinstunternehmer*innen Einkommensausfälle wegen COVID-19 und war ihnen deswegen die Leistung von Kreditrückzahlungen, die im Zeitraum 1. April 2020 bis 31. Jänner 2021 fällig wurden, nicht zumutbar (insbesondere weil sonst ihr angemessener Lebensunterhalt gefährdet gewesen wäre), so wurden diese Zahlungen für zehn Monate gestundet. Dadurch verlängerte sich – jedoch nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme dieses gesetzlichen Zahlungsaufschubs – die Vertragslaufzeit automatisch um zehn Monate, sofern die Vertragsparteien für die Zeit nach 31. Jänner 2021 nicht einvernehmlich eine andere Zahlungsvereinbarung treffen oder getroffen haben. Die bzw. der Kreditgeber*in soll der bzw. dem Verbraucher*in ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Für den Zeitraum der gesetzlichen Stundung fallen keine Verzugszinsen oder sonstige Kosten an.
Als Kleinstunternehmen gelten Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. EUR nicht überschreitet.
Justizanstalten
Es gibt aufgrund von Covid-19 keine besonderen Regelungen mehr für Justizanstalten.